2002 Int. Marlboro Masters Of Formula 3

Sensationeller Sieg für Fabio Carbone

- Dominanz der Renault-Motoren, die DM-Teilnehmer hatten's schwer -

Mit einer Woche Verspätung - denn zum ersten Mal seit vielen Jahren wurde die Veranstaltung erst am zweiten August-Wochenende gestartet - fand das diesjährige "Int. Marlboro Masters of Formula 3" im holländischen Zandvoort statt. Und wie in all den Jahren zuvor traf sich die versammelte Elite der verschiedenen nationalen Championate, um sich bei diesem Aufeinandertreffen, welches schon lange den Ruf einer inoffiziellen Europa-Meisterschaft hat, miteinander zu messen. 47 Teilnehmer aus nicht weniger als 18 Nationen waren vertreten, die allermeisten von ihnen hatten auch in diesem Jahr schon einige Rennen Formel 3-Erfahrung.

Bekannte Team-Fahrer-Kombinationen haben in Zandvoort nicht unbedingt Gültigkeit, davon konnten sich die immerhin 60.000 angereisten Fans - es waren auch schon mal über 100.000 gewesen! - überzeugen. Während das deutsche Opel Team BSR in der bekannten Besetzung in die Niederlande gereist war und übrigens mit Frank Diefenbacher auch den einzigen deutschen Piloten stellte, trat beispielsweise Swiss Racing mit zwei Gaststartern an, nämlich den Japanern Katsuyuki Hiranaku und Tatsuya Kataoka. Beide sind von Toyota unterstützte Werksfahrer, bestreiten die japanische Meisterschaft und belegen dort in der Jahreswertung die Ränge 5 und 6. Dass Norbert Siedler und Gilles Tinguely nicht in Zandvoort an den Start gehen würden, war nach Informationen des innerschweizer Rennstalls bereits in der Saisonplanung des Swiss Racing Team worden.

Relativ spät entschloss sich auch das Team Trella Motorsport zu einem Abstecher an die Nordsee. Der Malaye Rizal Ramli wollte gerne für den sympathischen Schwaben fahren und der Veranstalter freute sich über den ersten Starter aus diesem Land in der Geschichte des Masters. Kurzerhand ausgeladen wurde allerdings Sakon Yamamoto von seinem Teamchef Sigi Müller Jr. Es wurde spekuliert, der Japaner habe durch zahlreiche Unfälle sein Budget aufgebraucht, und so blieb das Auto herrenlos in der Box des GM-Teams stehen. Bei Ghinzani gab Raffaele Giammaria ein Gastspiel als Teamkollege von Robert Doornbos. Der Italiener musste seine Euro-F3000-Saison vorzeitig beenden, weil das European Minardi-Team von Coloni aufgekauft wurde, wo man sich nur noch auf die Int. FIA F3000-Meisterschaft konzentrieren will. Deshalb standen Giammaria sowie sein Teamkollege Gianmaria Bruni plötzlich auf der Straße.

Ginge es nach der Quantität, dann hätte ein Vertreter der deutschen oder der englischen Formel 3-Meisterschaft den Sieg schon zu Beginn so gut wie sicher gehabt. Denn mit 14 Aktiven stellte man ebenso wie Großbritannien das größte Kontingent, während Frankreich "nur" mit acht Piloten vertreten war, Italien mit vier und Japan mit drei Rennfahrern. In keinem Championat aktuell vertreten, aber dennoch teilnehmen durften Lokalmatador Jereon Bleekemolen und Raffaele Giammaria. Chancengleichheit war auch bei dieser 12. Auflage des Marlboro Masters groß geschrieben, und deshalb galten zwei Grundregeln. Zum einen durfte ab der Festlegung des aktuellen Reglements (meistens etwa im März) kein potentieller Teilnehmer mit einem F3-Monoposto in Zandvoort testen, und zum anderen mußten alle Fahrer mit einer Reifenmarke starten, die sie nicht bereits aus ihrem nationalen Championat kannten. Avon, Bridgestone oder Yokohama schieden da von vornherein aus, und so viel die Wahl auf Kumho Tyres, einen koreanischen Hersteller von Renn- und Straßenreifen, der sich in der jüngeren Vergangenheit in Europa vor allem im Sportwagenbereich einen Namen gemacht hat. Kumho, die sich mit einem 5-Jahres-Vertrag an das Masters banden, rüstet zwar in diesem Jahr auch die französische Formel 3-Meisterschaft aus, brachte jedoch nach Zandvoort eine andere Konstruktion mit, die über eine härtere Gummimischung sowie eine steifere Flanke verfügte.

Bereits am Donnerstag dröhnte der Lärm der Motoren über die Dünen an den Strand sowie in den nahegelegenen Ort, denn die Serien des Rahmenprogramms - Renault Clio-Cup, DTCC (wegen akutem Teilnehmerschwund mit zusätzlicher BMW Compact-Serie), Formel Ford und Euro-BOSS (ehem. F1 und Champ Cars) - begannen bereits mit ihren Test- und Einstellfahrten auf dem 4,306 km langen Kurs. Doch am Samstag morgen ging es dann endlich auch für die Akteure des Hauptevents zur Sache. In der Gruppe der ungeraden Startnummern bestimmte von Anfang an Olivier Pla das Tempo und markierte auf trockener Piste mit 1:33,942 Min. die schnellste Rundenzeit. Hinter dem Franzosen folgten der Finne Heikki Kovalainen (1:34,021 Min.) und an dritter Stelle der beste Vertreter des deutschen Championats, der Niederländer Robert Doornbos in 1:34,027 Min. Bevor die zweite Gruppe, nämlich die Piloten mit den geraden Startnummern, auf die Strecke gehen konnten, setzte leichter Nieselregen ein. Es fuhren zwar zunächst alle auf Slicks hinaus, doch schon bald war klar, daß hier keine schnellen Rundenzeiten zu erzielen waren. Gegen Mitte der Trainingssession wechselte man dann einmal auf Regenreifen, um gegen Ende, als die Ideallinie wieder abtrocknete, erneut mit profillosen Pneus auf Zeitenjagd zu gehen.

Einer der Titelkandidaten fiel dabei gleich einmal unangenehm auf, nämlich Tristan Gommendy. Der Franzose mußte für einen Fehler seines Teams büßen, welches versehentlich falsche Reifen an seinem Dallara-Renault aufgezogen hatte, und so wurden ihm gleich einmal alle Zeiten gestrichen. Schnellster war diesmal der JB-Pilot Stefan de Groot in 1:34,096 Min. vor Kousuke Matsuura (1:34,119) und Fabio Carbone (1:34,261). De Groot's schnelle Runde freute natürlich den Veranstalter, denn der Niederländer gehörte zu den Piloten, deren Monoposto komplett in Marlboro-Farben an den Start ging. Carbone's Platzierung kam jedoch etwas überraschend, denn der junge Brasilianer hatte sich bis jetzt in England noch nicht besonders hervor getan, und bei seinem Gaststart für KMS beim F1-GP in Hockenheim war er nur durch seinen spektakulären Überschlag bereits im Training aufgefallen.

Die Stunde der Wahrheit kam mit dem zweiten Zeittraining, denn jetzt ging es für die Spitzenpiloten darum, wer auf der Pole oder wenigstens in einer der vorderen Startreihen stehen würde, und für die weniger Schnellen, wer bereits am Samstag abend nach Hause fahren durfte. In der Gruppe der ungeraden Startnummern blieb Olivier Pla an der Spitze vor Heikki Kovalainen und Robert Doornbos. Bei den geraden Nummern allerdings verbesserte sich Carbone noch einmal um mehr als sechs Zehntel und holte sich mit einer Zeit von 1:33,639 Minuten die Pole Position. Zweitschnellster war diesmal Tristan Gommendy (diesmal mit den richtigen Reifen!) vor Ronnie Bremer aus Dänemark. In den ersten beiden Reihen standen ausschließlich Monoposti "powered by Renault Sodemo", während die dritte Reihe den Mugen Honda gehörte. Erst in Reihe vier fand man mit Stefan de Groot den bestplatzierten Opel-Piloten neben Bruno Besson in einem weiteren Dallara-Renault.

Hinten im Feld aber wurde radikal ausgemustert, wer zu langsam war. Als Ersten d.h. "Schnellsten der zu langsamen" traf es den Neuzugang im Team von Frits van Amersfoort. Jaap van Lagen, eigentlich noch in der Formel Ford aktiv, war gerade in die deutsche Formel 3 aufgestiegen, doch bei seinem Heimrennen fehlte ihm einfach noch die Erfahrung. Bei 37 zugelassenen Startern hätte er als 19. schneller sein müssen als der 19. aus der anderen Gruppe, doch da war der Japaner Shinya Hosokawa mit 1:35,047 deutlich besser als die 1:35,932, welche van Lagen vorzuweisen hatte. So war der junge Niederländer vorerst nur Ersatzpilot für den Fall, daß ein anderer nicht würde starten können. Ebenfalls komplett einpacken konnte GM Motorsport nach dem enttäuschenden 20. Platz von Clemens Stadler und auch Klaus Trella mußte zur Kenntnis nehmen, daß Rizal Ramli die Qualifikationshürde nicht geschafft hatte. Der Malaye war einer der ganz wenigen, die sich in der zweiten Sitzung nicht steigern konnten, und seine Zeit von 1:37,093 Min. reichte nicht für den Sprung ins Starterfeld.


Foto: Eric Mulder

Als die 37 Piloten am Sonntag nachmittag in ihr Rennen über 25 Runden gehen wollten, wurde einer von ihnen bereits auf dem Weg in die Startaufstellung unschuldig eliminiert. Denn Stefan de Groot fuhr seinem Landsmann Robert Doornbos aus Unachtsamkeit ins Heck, so dass für den Ghinzani Honda-Piloten die Veranstaltung bereits gelaufen war, bevor sie richtig begonnen hatte. De Groot konnte zumindest noch aus der Boxengasse dem Feld nachstarten. Als das Rotlicht der Startampel erlosch und das Feld auf die erste Kurve zustürmte, blieb der von den meisten Zuschauern erwartetete Startcrash überraschend aus. Ganz diszipliniert fädelten sich 35 Autos vor der Tarzanbocht ein, und Ersatzfahrer Jaap van Lagen durfte anstelle von Doornbos dem Feld genau wie de Groot aus der Boxengasse hinterherstarten. Auch das weitere Rennen blieb von dramatischen Zwischenfällen verschont, wenn man einmal davon absieht, daß Alan van der Merwe relativ früh am Ende der Start-Ziel-Geraden die Kontrolle über sein Auto verlor und im Kiesbett parken mußte.

Einige Runden später, aber nur wenige Meter weiter, beendete leider auch Frank Diefenbacher sein Rennen vorzeitig. In der Tarzanbocht geriet er ausgerechnet mit einem weiteren Vertreter der deutschen F3, nämlich Kousuke Matsuura, aneinander und mußte mit gebrochener Radaufhängung aufgeben. Der japanische Prema Power-Pilot konnte zwar weiterfahren, doch am Ende wurde er mit zwei Runden Rückstand nur als 28. gewertet. An der Spitze hingegen fuhr Fabio Carbone zu einem nie gefährdeten Start-Ziel-Sieg in einem Rennen, in dem der junge Brasilianer teilweise fast zwei Sekunden Abstand zum Rest des Feldes hatte. Dahinter überquerten die beiden ASM-Teamkollegen Olivier Pla und Tristan Gommendy, ebenfalls in Dallara-Renault Sodemo unterwegs, auf den Plätzen zwei und drei die Ziellinie. Carbone's Teamkollege Heikki Kovalainen im zweiten Fortec-Dallara wurde Vierter. Bester Honda-Pilot war Ronnie Bremer auf Platz fünf, bester Opel-Fahrer und gleichzeitig bester Vertreter der deutschen Formel 3 wurde Vitantonio Liuzzi, der für das Opel-Werksteam von Bertram Schäfer startete, auf Position acht.

Selbstverständlich durften auch bei diesem Marlboro Masters die Vorführungen der Scuderia Ferrari Marlboro und des Marlboro Yamaha Teams nicht fehlen. Aber während die Zweirad-Akteure mit Randy Mamola, Max Biagi und Carlos Checa erstklassig besetzt waren, mußten die Fans der Roten aus Maranello mit den Testpiloten Luciano Burti (am Samstag) sowie Luca Badoer (am Sonntag) vorlieb nehmen. Immerhin, nachdem Burti bereits samstags den alten F1-Streckenrekord von 1:21,568 Minuten um ca. zwei Zehntel unterboten hatte, brannte Badoer am Sonntag bei optimalen Bedingungen - nicht zu warm, kaum Wind, jede Menge Grip nach dem F3-Rennen - eine Rundenzeit von 1:19 Min. in den holländischen Asphalt. Dies sowie die unzähligen Donuts und Burn-outs ließen die Herzen der Fans höher schlagen und entschädigten auch für das diesmal eher unfreundlich kühle und teils sogar etwas feuchte Wetter rund um den Dünenkurs. Übrigens, wer die dritte Kraft in den Farben von Sponsor Philip Morris vermisste: Das Mitsubishi Rallye-Team nahm zeitgleich an der 1000-Seen-Rallye in Finnland teil und konnte deshalb in diesem Jahr leider nicht nicht ins Geschehen in Zandvoort eingreifen. Hätte man allerdings vorher gewußt, daß beide Mitsubishi Lancer Evo VII so frühzeitig ausfallen würden, dann hätten die Reisepläne des Teams vielleicht anders ausgesehen ...

Fabio Carbone: "Dies ist mein erster Formel-3-Sieg - unglaublich, dass ich ihn ausgerechnet bei einem der wichtigsten internationalen Rennen einfahren konnte. Nachdem ich bereits im Training vorne war, habe ich mich nur auf einen guten Start konzentriert - danach ließ sich die Sache relativ gut kontrollieren."

Vitantonio Liuzzi: "Ich lag an siebter Position, als mein Dallara 3/02 Opel-Spiess leicht quer kam, denn ich bin auf Öl ausgerutscht. Ich bin allerdings mit dem Rennen nicht unzufrieden, da ich eine Menge gelernt habe. Vor allem, dass man hier im Training schon weit vorn sein muss. In einem solch hochklassigen und ausgeglichenen Feld sind Überholvorgänge einfach Mangelware."

Bernhard Auinger: "Leider waren wir mit einem nicht optimalen Set-up unterwegs, als es im ersten Zeittraining darauf ankam. Im zweiten Training, das dann allgemein langsamer war, lief es gut, auch das Warm-up und das Rennen waren okay."

Joao Paulo de Oliveira: "Ich hätte die Top-Ten erreichen können und habe einiges riskiert, nicht alles ist mir dabei gelungen. Mein Auto war heute nicht optimal, dies lag wohl auch an der geringen Zusammenarbeit mit meinem Renningenieur, den ich hier zum ersten Mal getroffen habe."

Kousuke Matsuura: "Der fünfte Platz wäre ganz sicher drin gewesen. Diefenbacher war einfach zu übermütig. Er hat beim Einlenken in die Tarzanbocht viel zu spät gebremst und mich hinten rechts berührt."

Frank Diefenbacher: "Matsuura war schon eingangs der Start- und Zielgeraden im Kies, hat dort Schwung verloren und am Ende vor der Tarzanbocht innen viel Platz gelassen - ich musste dort einfach reinstechen."

Marc Benz: "Ich wollte vor allem ins Ziel kommen und so viel Erfahrung sammeln wie nur eben möglich. Es ist richtig beeindruckend, wie eng das Feld zusammenrückt, wenn alle guten Fahrer aus den europäischen Meisterschaften aufeinander treffen."

Mit den nachfolgenden Musterbeispielen von aerodynamisch wohlgeformten Heckpartien verabschieden wir uns und sagen: Auf Wiedersehen im nächsten Jahr - zur verflixten 13 !!!

© 2002-2003 Pitwall Media Office